Nachruf: Gerhard Weisenberger
Am 29. April ist der langjährige Trainer der RWG im Alter von 72 Jahren verstorben; er hat im Kahlgrund tiefe Spuren hinterlassen. Weisenberger kam nach der Jahrtausendwende als Nachfolger von Torsten Wagner zu den Kahlgrundringern. Dort widmete man sich zu jener Zeit dem Projekt „Die wilden Jungen“.
Er fand eine Gruppe von jungen, hungrigen Athleten vor. Sein Greco-Kollege war Peter Behl. Weisenbergers Sprache kam im Kahlgrund an. Sein Stil war effektiv. Er schaute sich den Sportler an, analysierte dessen technische, physische und psychischen Anlagen und versuchte diese sukzessive zu optimieren. Damit hatte er größten Erfolg. Er führte die RWG-Freistilringer Felix Wissel, Jens Gündling, Peter Weisenberger, Oldrik Wagner und Saba Bolagi zu deutschen Meistertiteln. Letzteren formte er zu einem Weltklasseathleten, der 2011 bei den Europameisterschaften in Dortmund die Bronzemedaille im Leichtgewicht gewann. Unter dem Trainergespann Weisenberger/Behl gehörte die RWG-Staffel mehr als zehn Jahre zur absoluten deutschen Spitze. Mehrfach wurde das Halbfinale zur deutschen Mannschaftsmeisterschaft erreicht. 2011 kam die RWG ins Finale, wo gegen den KSV Weingarten verloren wurde. Die RWG-Arena in Schimborn war immer bestens gefüllt. Die Kämpfe waren Events. Die Stimmung war oft euphorisch. Und die Endrundenkämpfe in der Frankenstolzarena in Aschaffenburg vor großem Publikum waren Ringkampf-Feiertage. Auch Dank Gerhard Weisenberger. Dass Weisenberger in Personalunion auch hessischer Landestrainer war, war sehr günstig, denn so betreute er seine Freistiler an drei Tagen in der Woche, zweimal im Kadertraining, freitags im Vereinstraining im Bergheim in Königshofen.
Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Trainer hatte er bei seiner Tätigkeit beim AC Bavaria Goldbach unter Beweis gestellt. Er führte die Staffel zu sechs deutschen Mannschaftsmeisterschaften. Und er hatte großen Anteil daran, dass sich Alexander Leipold zu einem Weltklasseathleten entwickelte. Auch die Freistilringer der Extraklasse Reiner Heugabel, Ahmet Cakici und Jürgen Scheibe profitierten von seiner Arbeit.
Gerhard war ein toller Ringer. Von 1967 bis 1973 holte er neun deutsche Meistertitel im Nachwuchsbereich. 1971 wurde er zum ersten Mal Meister bei den Männern. 1972, 1973, 1975 und 1976 folgten weitere Männermeisterschaften. 1975 gewann er bei den Europameisterschaften die Bronzemedaille. Bis 1973 ging er für Siegfried Kleinostheim auf die Matte, von 1974 bis 1976 kämpfte er für die Einigkeit Aschaffenburg-Damm, dann für den KSV Witten. Mit den Westfalen gewann er vier Mal die deutsche Mannschaftsmeisterschaft.
Gerhard Weisenberger war ein geselliger Typ, gesegnet mit einer gesunden Portion Humor. Er war ein aufmerksamer Gesprächspartner, der seinem Gegenüber immer auf Augenhöhe begegnete. Er kam immer auf den Punkt und redete nicht um den heißen Brei. Er pflegte immer ehrlich seine Meinung zu sagen. Und er war ein Gerechtigkeitsfanatiker, besonders wenn es um seine Ringer ging.
Eine kleine Anekdote, die Gerhards schelmische Art treffend beschreibt. Der junge bulgarische RWG-Ringer Milan Blagojew hatte seinen hoch favorisierten italienischen Gegner vom ASV Mainz 88 nach deutlichem Rückstand geschultert. Die Halle tobte vor Begeisterung. Die Fans wollten, dass Milan nun in der Pressekonferenz interviewt werden sollte. Der Moderator war ratlos. Milan konnte weder ein Wort Deutsch noch ein Wort Englisch. Gerhard Weisenberger: „Kurt, du kannst ihn interviewen. Der kann jetzt Deutsch.“ Der Moderator stellte Milan dem begeisterten Publikum vor. „Milan, was waren deine Gedanken, als du mit deutlichem Rückstand in der letzten Runde auf die Matte gegangen bist?“ Milans Antwort: „Das Essen bei Falco schmeckt sehr gut.“ Das Publikum tobte, Milan strahlte, Gerhard grinste. Sein Deutsch-Schnellkurs war erfolgreich.