Joker: Der Siegbringer kam direkt aus dem Zeltlager
In dieser Rubrik geht es um längst vergessene Geschichtchen, die eigentlich unwichtig sind, die aber ein Schmunzeln oder einen kurzen gedanklichen Ausflug in die Vergangenheit bewirken.
„Wenn ich heute, mehrere Jahrzehnte danach, mir die Tabelle im RWG-Report von damals ansehe, dann glaube ich das fast nicht. Ich stehe vor Gries und Behl und all den anderen Stars von der RWG. Zwölf Punkte aus drei Kämpfen in der Bundesliga! Das Optimum!“
Frank war kein bundesligareifer Ringer. Er war erst 14 Jahre, damals, im Jahre 1985. Und er hat keinen von den drei Kämpfen, in denen er zum Sieger erklärt wurde, in Wirklichkeit gewonnen, ja er hat nicht einmal gerungen. Er hat immer nur das Gewicht gehabt. Nämlich 48 kg. Und er hatte keinen Gegner, wenn die andere Mannschaft diese Gewichtsklasse nicht besetzen konnte. Oder der für dieses Gewicht vorgesehene Ringer es nicht schaffte bis auf mindestens 48,0 kg abzutrainieren.
Letzteres war der Fall im August 1985, als der Neuling RWG Mömbris-Königshofen im ersten Kampf der neuen Saison auf den haushohen Favoriten AC Bavaria Goldbach traf. Das Papiergewicht wollte man eigentlich unbesetzt lassen, denn Goldbach hatte hier mit Reiner Heugabel und Markus Rill zwei erstklassige Alternativen. Die Punkte mussten in anderen Gewichtsklassen geholt werden. Nun erhielt man bei der RWG auf einem undurchsichtigen Kanal – war es ein anonymer Anruf? – einen Hinweis. Der Markgraf sitze schon ein „paar Tage in der Sauna.“ Was sollte das bedeuten? Sollte etwa Ralf Markgraf im Papiergewicht antreten? Bei der Mannschaftsleitung kam man zum Entschluss, dass man das Papiergewicht doch besetzen müsse. Sicherheitshalber. Aber wer hatte das Gewicht?Vielleicht Frank Reising. Und so fuhr Jugendleiter Klaus Funk zu Franks Eltern nach Brücken. Da erfuhr Funk, dass sich der Frank im Ministrantenzeltlager in Kleinostheim aufhalten würde. Also gings nach Kleinostheim. „Du Frank, hast du 48 kg? Fragte Funk zur Begrüßung. Reising bejahte. „Komm mit, du musst heute ringen.“
Also fuhren beide nach Brücken. Frank packte seine Sporttasche, und es ging nach Schimborn zum Kampf. „Geh da rein und zieh dich um.“ Reising ging in die Umkleide und verließ diese umgehend. Da drinnen waren Busse, Gries, Behl, Rausch. „Klaus, das ist der falsche Raum.“ „Nein, nein, du sollst in der Ersten Ringen.“ Nun – Frank Reising marschierte an der Spitze seiner Staffel vor vielleicht 1300 Zuschauern ein, von denn ihn vielleicht eine Handvoll kannte. Er gewann kampflos, weil sein Gegner Ralf Markgraf das 48-kg-Limit nicht schaffte. Was sich die Goldbacher wohl dabei dachten? Wieso brachten sie nicht Rill oder Heugabel in dieser Gewichtsklasse?
Die RWG gewann übrigens 20:17, was die Basis für den Klassenerhalt war. Außer Frank gewannen noch Roland Böhm, Roger Gries, Levent Deniz, Michael Busse und Peter Behl. In Schimborn kämpfte die RWG-Staffel danach nur noch dreimal, denn die für nur 1000 Zusauer zugelassene Halle war für diesen Kampf viel zu klein. 1988 kamen offiziell 1700, inoffiziell über 2000.
Und Frank Reising? Der kämpfte in dieser Saison auch ein paarmal in der RWG II. Meist siegte er. Kampflos.