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Main-Echo: Mömbriser Traditionslokal „Jule Otto“ ist geschlossen

22. Januar 2022

Na­he­zu je­der in Möm­b­ris weiß, dass es sich beim »Ju­le Ot­to« um ei­ne Gast­stät­te mit lan­ger Tra­di­ti­on han­delt, die et­was ver­steckt in der Mühl­gas­se, ei­ner Sei­ten­stra­ße der Haupt­stra­ße, zu fin­den ist. Im 157. Jahr ih­res Be­ste­hens (sie­he »Hin­ter­grund«) wa­ren je­doch ih­re Ta­ge ge­zählt:

Hedwig und Klaus Wissel schlossen am 31. Dezember vergangenen Jahres für immer die Eingangstür.

»Viele hatten Tränen in den Augen«, erinnert sich der 79-Jährige im Gespräch mit unserem Medienhaus an die letzten Tage, an denen sich viele Stammkunden persönlich verabschieden und natürlich noch einmal die gute Küche genießen wollten, die für ihre regionalen Gerichte und den selbstgebrannten Schnaps bekannt war.

»Mein Elternhaus«

Vor allem für Hedwig Wissel war diese Entscheidung nicht leicht: »Das ist mein Elternhaus, da steckt viel Herzblut drin«, sagt die 71-jährige. Aber die beiden räumen ein, dass sie mittlerweile auch gesundheitlich angeschlagen seien. Daher bedanken sie sich bei allen, die ihnen teilweise jahrzehntelang die Treue hielten, und freuen sich auf die freie Zeit, die sie mit ihren fünf Enkelkindern verbringen und für tägliche Spaziergänge nutzen wollen. Das Gebäude, so erzählen sie weiter, wird wohl verkauft werden, denn es gibt keine Nachfolger. Kein Wunder, denn sowohl die Tochter als auch die beiden Söhne sind Beamte geworden. Allen voran Sohn Felix, der als Bürgermeister die Geschicke der Marktgemeinde Mömbris lenkt. »Ich habe schon als Kind den Hochbetrieb und damit den Stress an den Wochenenden erlebt und gesehen, wie wenig Zeit die Eltern hatten«, erklärt der heute 43-jährige Rathauschef seine bewusste Entscheidung gegen die Gastwirtschaft der Eltern.

Es habe viele schöne Zeiten im »Jule Otto« gegeben, als im großen Saal Fasching gefeiert wurde, die Ringer trainierten und zum Tanz aufgespielt wurde: »Wenn ich die Ehepaare zu ihren Hochzeitsjubiläen besuche, höre ich oft, dass sie sich beim Tanzen beim Jule Otto kennengelernt habe«, so der Bürgermeister.

Jeden Freitag Schafkopf

Seine Eltern erinnern sich überdies an die Ortsvereine von den Fußballern über die Radfahrer bis zu den Schachspielern: »Bis zum Schluss wurde jeden Freitag bei uns Schafkopf gespielt«, sagt Hedwig. Selbst die Politik, insbesondere die örtliche SPD, hatte hier ihren festen Platz.

Bleibt am Ende nur noch des Rätsels Lösung, warum die Gaststätte die letzten 15 Jahre »Jule Otto« hieß. Hedwigs Oma hieß Juliane, genannt Jule. Als deren Sohn Otto, also Hedwigs Vater, einmal in einen Brunnen beim Wohnhaus in der Johannesberger Straße gefallen war, liefen die Leute zur Oma: »Jule, euer Otto ist in den Born gefallen«, riefen sie. Und als schließlich das alte Gaststättenschild erneuert werden musste, wurde daraus ganz offiziell die Gaststätte »Jule Otto«.

Quelle: Main-Echo | Verfasserin: Marion Stahl